Eine gedrängte Wochenübersicht aus dem Schul- und Alumnatsleben: | ||||
1. Peter Lenné... ...gehörte unzweifelhaft zu den Mitschülern, deren breit gefächerte subversive Begabung im Laufe der Jahre ein äußerst kreatives Spektrum an Aktivitäten entfaltete, das von einer befristeten Umgestaltung des maritimen Personennahverkehrs auf dem See im Bagno bis hin zu denkmalspflegerischen Einzelaktivitäten reichte. Diese Andeutungen mögen genügen. - Eingeweihte wissen sicher mehr. Mittwoch, sechste Stunde, Latein bei einem Studienreferendar, der redlich, jedoch mit einem der Tageszeit entsprechend begrenzten Erfolg bemüht war, mit uns eine Rede Ciceros zu neuem Leben zu erwecken. Kurz vor Schluss dieser bemühten Stunde machte mir Peter, mein Banknachbar, eine, wie er meinte, äußerst erfreuliche Mitteilung: "Achtung, gleich kommt ein Pup!" Kurz darauf stellte er selbstbewusst einen gewaltigen Furz in den Raum, der natürlich einen vielstimmig wiehernden Heiterkeitsausbruch zur Folge hatte, was allerdings den Referendar erkennbar irritierte. Doch damit nicht genug: Er drehte sich dann nämlich zu seinem Hintermann um und schnauzte achtersinnig: "Butscheid, du Sau!" Dem armen Butscheid, unschuldig, jedoch außerstande, dies auch beweisen zu können, entgleisten etwas die Gesichtszüge, und seine ohnehin recht gesunde Gesichtsfarbe entwickelte sich zu einem leuchtenden Krebsrot. An eine Vermehrung von Einsichten aus der Rede Ciceros war dann eigentlich nicht mehr zu denken, aber der Referendar ließ nicht locker. Er wollte der Sache auf den Grund gehen und erkundigte sich treuherzig: "Wer hat da geblasen?" Die Wirkung dieser flachsinnigen Frage war umwerfend! Die Klasse brüllte wie ein volles Kino. Zum Glück verhinderte die Schulglocke alle weiteren Nachforschungen. Gelacht haben wir fast bis nach Hause. 2. StR. Meyer: Dienstag, 3. Stunde, Englisch bei Meyer. Plötzlich kommt ein Schüler mit einem Rundlauf durch alle Klassen: Nach der sechsten Stunde sollte ein Fußballturnier zwischen der Schulmannschaft und einer Lehrerauswahl stattfinden. Herr Meyer schien entschlossen, sich an diesem Turnier beteiligen zu wollen. Er erkundigte sich, wer ihm wohl ein Fahrrad ausborgen könnte, damit er sich von Zuhause noch schnell vorher das entsprechende Outfit besorgen könne. Spontan schlug ich ihm das Fahrrad von Herrn Kämker, unserem Klassenlehrer, vor. Da aber nun dieses Fahrrad in seiner "zeitlosen Eleganz" seit einigen Dutzend Jahren insgeheim zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt gehörte, und die Fahrkünste seines Besitzers inzwischen einen ähnlich legendären Ruf genossen, stieß dieser Vorschlag, der auch eigentlich nicht ganz ernst gemeint war, auf unverhohlene Heiterkeit. Viele Schüler erinnerten sich noch vergnügt daran, wie Herr Kämker einige Zeit vorher am Arnolditag, sichtlich mit den Spätfolgen des Arnoldiballes vom Vorabend kämpfend, mit seinem Fahrrad die Front der gerade auf dem Schulhof angetretenen und abmarschbereiten Schülerschaft abgefahren war. Herr Meyer sah sich nach diesem Vorschlag wohl zu einer kleinen Geste kollegialer Solidarität herausgefordert und meinte, dies sei wohl einer von den echten Hansen-Witzen, die sich immer durch besondere Faulheit auszeichneten. Darin musste ich ihm wohl leider Recht geben und so hatten wir schließlich beide unseren Lacher. 3. Hartmut Freund (genannt "Amigo")... ... war, was die Ordnung seiner Elaborate betraf, absolut talentfrei. Selbst mühselig vorbereitete Referate misslangen ihm völlig, weil er die Reihenfolge seiner Blätter nicht mehr rekonstruieren konnte. Es ist also wieder mal Donnerstag, kurz nach halb acht, und kurz davor, sich auf den Weg zur Schule zu begeben. Hinter mir ein verzweifelter Stoßseufzer: "Scheisse! Wo ist denn schon wieder mein Ringheft? Nichts, nichts kann man hier liegen lassen! In diesem - Bordell!!!" Amigo sucht seine Hausaufgaben. Er war im Grunde der einzige, der sich mit den Aufgaben näher auseinandergesetzt hatte. Nachdem er sie erledigt hatte, kursierte sein Heft durch mindestens fünf Zimmer, um die Aufgaben daraus abzuschreiben. Ich will hoffen, er hat uns unseren Anteil an seinem Chaos im Laufe der Jahre verziehen. 4. StR. Dr. Köther: Viele erinnern sich noch mit Schmunzeln aber auch Ehrfurcht an unseren Mathe-, Physik- und Chemielehrer Dr. Köther, dessen zuweilen skurrile Unterrichtsmethoden bis heute unvergessen sind. Hier müssen vor allem seine legendären Pappkopf-Regeln Erwähnung finden, die allesamt mit dem Satz endeten: "... und wer das nicht weiß, ist ein Pappkopf!" Als Kostprobe mag hier die folgende, von ihm eingeführte binomische Formel gelten: Klim plus Bim in Klammern zum Quadrat ist gleich Klimquadrat plus zwei Klimbim plus Bimquadrat, und wer das nicht weiß... Die Anderen vergessen es ihr Leben lang nicht. Ich erinnere mich an eine Freitags-Physik-Stunde, in der Dr. Köther uns im abgedunkelten Physikraum die Brechungsgesetze einer Konvexlinse zu vermitteln versuchte, indem er - mit eben dieser und einer Kerze hantierend - auf einer Mattscheibe das reale umgekehrte Abbild der Kerzenflamme darstellen wollte. Wie gesagt: wollte! Denn dazu kam es nicht mehr, weil nämlich Axel Otte das reale Bild der Kerze durch Ausblasen derselben in eine virtuelle totale Sonnenfinsternis verwandelt hatte. Dr. Köther rannte im Dunkeln wie ein geölter Blitz zur Tür und schaltete das Licht ein, rannte zu Axel Otte zurück, verabreichte ihm einen Satz Ohrfeigen und verdonnerte ihn, den Rest der Stunde als "Spülsteinmatrose" hinten im Physikraum - auf dem Rand des Spülbeckens hockend - zu verbringen. Keiner traute sich zu lachen, aber allen vibrierte das Zwerchfell! 5. StR. Kämker (genannt "Käse")... ... unterrichtete Physik, Sport und Erdkunde, und war etliche Jahre mein Klassenlehrer, ein gütiger, wohlwollender älterer Herr, mit dem man im Grunde Pferde stehlen konnte. Kleinere Flapsigkeiten pflegte er mit "Zwei Seiten!" zu ahnden, nur bei Erwähnung seines Spitznamens war er etwas empfindlicher. Eines schönen Montags in Physik schleppte er aus der Sammlung eine große Kreiselpumpe und die dazu gehörende Glasglocke herbei, um einige Experimente unter Vakuum vorzuführen. Sich den Schweiß abwischend fragte er: " Na? Schon mal gesehen? Was könnte das sein?" Jörg Janke, vorlaut wie immer, bot ihm an: "Käseglocke!" Der entsprechende Lacher war ihm sicher! Er hatte aber leider nicht bedacht, dass Käses Lieblingsverein Schalke 04 am letzten Spieltag wieder einmal nur zweiter Sieger geworden war. An solchen Tagen war Käse meistens nur mit Vorsicht zu genießen. So lustig die anderen Schüler Jörgs Käseglocke auch fanden, Käse wurde stinkig und verabreichte ihm dafür einen Satz heißer Ohren. Übrigens... ... hatte unser altes Schulgebäude auf seinem Dachboden auch einen kleinen besonderen Raum. In seine Wand hatte jemand den Spruch geritzt: "Tempora mutantur et nos mutamur in eis!" (Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen!) Dieser Raum hatte in früheren Zeiten wohl als Karzer gedient, also als ein Raum, in dem zu seiner Zeit bestimmte Disziplinarstrafen wie ein mehrstündiger Arrest vollstreckt wurden. Der Spruch an der Wand hatte ungewollt auch etwas prophetisches: Als ich in den Fünfzigern und Anfang der Sechziger Jahre zur Schule ging, hatte dieser Raum seinen ursprünglichen Zweck natürlich längst verloren. Es kam wohl hier und da noch vor, dass man in bestimmten Fällen mal eine Stunde "nachsitzen" musste, aber Arreststrafen in der Form, dass man für mehrere Stunden in einem solchen Raum eingeschlossen wurde, wurden nicht mehr verhängt. Genau so verhielt es sich mit körperlichen Züchtigungen. Diese sind, wie jeder weiß, heute selbst innerhalb der Familie verboten und sogar strafbar. Das war allerdings nicht immer so. Während meiner Schulzeit waren zwar Prügelstrafen wie Ohrfeigen nicht die Regel, aber auch durchaus keine Seltenheit. Sie waren nicht verboten und manche lockere Hand hat damals gewisse Fehlverhalten jedenfalls schneller zu beenden vermocht, als es heutzutage selbst über Telefonate mit dem Elternhaus gelingt. Wenn ich also aus der Erinnerung an meine Schulzeit auch solche Ereignisse berichte, dann geschieht dies keineswegs in der Absicht, das Andenken an meine alten Lehrer, an die ich in den allermeisten Fällen mit Hochachtung und Dankbarkeit zurückdenke, zu beschädigen oder zu verunglimpfen. Diese Hinweise erscheinen mir notwendig, damit insbesondere jüngere Leser, die diese Zeit nicht miterlebt haben, sich kein falsches Bild machen.
Etwas Deftiges aus der Alumnats-Gerüchteküche: Ein besonders ambitionierter "Extremsportler" des Alumnates soll sich sogar kurz nach dem Schlafengehen, während einer seiner Stubenkameraden noch auf der Toilette weilte, blitzschnell in dessen Bett begeben haben, um sich dort in verkniffener Vorfreude auf die nichts ahnende Rückkehr seines Zimmergenossen in aller Eile das Kreuz auszuschnäuzen. Pechvögler des Jahres wurde aber wohl zu seiner Zeit ein Alumne namens Jochen, der die Zeit des Abendessens dazu nutzen wollte, gemeinsam mit einer drallen Dorfschönheit aus der Küche namens Rosemarie eine der Duschen im Keller aufzusuchen, um sich dort gegenseitig ein wenig näher kommen zu können. Henning Hansen |